Vortrag
zur Ausstellungseröffnung am 7. Oktober 2011
von Irene Knop:

Irene Knop
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Um Sie auf
unser Thema einzustimmen, möchte ich ein kleines Stück
mit Ihnen in die Vergangenheit zurückgehen:
Angefangen hat das Lernen für das „gemeine
Volk“ erst Mitte des 16. Jahrhunderts.
Zunächst sollten die Pastoren, die Küster
und ihre Frauen „Schule abhalten“.
Der Inhalt bestand aus Religionsunterricht mit
Katechismus und Bibellesen.
Methoden der Küsterschulen waren:
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Lesen: |
Buchstabiermethoden |
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Schreiben: |
Vor-
und Nachschreiben des Alphabets, |
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beginnend
bei "a" und endend bei "z" |
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Gesang: |
Kirchengesang,
der sehr viel Zeit ausfüllte |
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Zunächst
gab es keinen Rechenunterricht. |
Bereits
1684 ordnete Herzog Gustav Adolf von Mecklenburg die Schulpflicht
an. Die wurde aber lange Zeit nicht durchgesetzt, denn die Ritter
und Junker waren in keiner Weise an einer allgemeinen Volksbildung
interessiert und setzten die Eltern unter Druck, ihre Kinder lieber
mitarbeiten zu lassen.
„Tolle“
Ergebnisse konnten die „Unterrichtenden“ nicht aufweisen.
Häufig klagten die Pastoren über mangelnde Kenntnisse
im Katechismus, sodass viele Knaben und Mädchen erst mit
15, 16 oder 17 konfirmiert wurden.
Das lag nicht nur am unregelmäßigen Schulbesuch,
sondern auch an fehlenden Fachkräften.
Fachkräfte
waren die Dorfschullehrer - auch Schulhalter,
Schulgesellen, Schulkollegen, Schuldiener - genannt,
eigentlich Handwerker waren, und die von den Geistlichen vor ihrer
Einstellung nur gering geprüft wurden.
In entlegenen Dörfern übernahmen häufig Tagelöhner
und Hirten, die nicht mehr in der Lagen waren, körperlich
schwer zu arbeiten, die Unterweisung der Kinder. (Manchmal auch
deren Frauen.)
In dieser Zeit war das Gehalt der Lehrer nicht gesetzlich. Es
ergab sich aus dem Schulgeld, dem Aufnahmegeld, den kirchlichen
Einnahmen des Küsters und dem „Freitisch“, d.h.
täglich bei einer anderen Familie ein Mittagessen.
Viele
Schulmeister gingen zusätzlich einem Handwerk nach, um ihren
Lebensunterhalt aufzubessern.
Unter
Herzog Friedrich dem Frommen gab es ab
1756 viele Veränderungen. Er ordnete den „allgemeinen
Schulzwang“ an, erließ eine neue
Schulordnung mit täglich 3 Stunden Vor-
und Nachmittagsunterricht und mit Zielen zur Vermittlung
des Christentums, Lesens, Schreibens und Rechnens.
Das hört sich zwar recht gut an, aber immer noch sperrte
sich die Ritterschaft und wollte keine wissenden Untertanen. Ihr
Motto „Zwei Ochsen vor dem Pflug und ein Ochse dahinter,
das ergibt die beste Furche“ galt bis ins 20. Jahrhundert
hinein.
Außer
diesen Veränderungen sahen auch die Schulmeister
einem neuen „Zeitalter“ entgegen. Setzte sich ihr
Einkommen jetzt folgendermaßen zusammen:
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1.
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Freie
Wohnung, worin eine mit Bänken und Tischen versehene
Schulstube und -wenn es die |
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Anzahl
der Schulkinder erfordert- auch eine besondere Wohnstube befindlich, |
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2. |
einen
Garten von 100 Quadratruten, |
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3. |
vier
Scheffel Saatacker, |
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4. |
eine
Wiese zu zwei Fuder Heu, |
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5. |
freie
Weide für 2 Kühe, 1 Kalb, 2 Schafe 2 Schweine, |
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6. |
3-4 Faden
hartes oder ein entsprechendes Quantum weiches Holz, |
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7. |
Holz
und Busch zur Einfriedung des Gartens und des Hofes, |
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8. |
freie
Mühlenfuhren, |
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9. |
das Schulgeld,
a Kind 35 Schilling. Für`s Schreiben und Rechnen von
den betreffenden |
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Kindern
wöchentlich einen Schilling. |
Sehen
wir jetzt in einen Klassenraum um 1900 hinein
und stellen uns gemeinsam vor, wie der Unterricht nach folgenden
Schulregeln abgelaufen ist:
Statussymbol „Zuckertüte“
Die
erste Notiz zu einer „mächtigen Tüte mit
Konfekt“ zur Einschulung ist vom Jenaer Heinrich
Eisenschmidt 1817 überliefert.
In
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durften
sich nur Kinder der gehobenen Schichten über
eine Tüte freuen (das waren Tüten aus Glanzpapier, die
beim Konditor bestellt werden konnten).
Bauern
kannten den Brauch des Bürgertums lange Zeit nicht, weil
die Kinder zunächst seltener zur Schule gingen, um in der
„Landwirtschaft zu helfen, statt die Zeit in einer Schule
zu vertrödeln.“
Später
bekamen die Bauernkinder auch eine Tüte, allerdings gefüllt
mit Stiften, Schürze oder Holzpantoffeln.
Schon
früh galt die Schultüte als Statussymbol.
Nicht nur die Kinder sahen auf die Tüten ihrer Nachbarn,
auch die Eltern verglichen die Größen und waren -je
nachdem- stolz oder neidisch. (wie Erich Kästner als Kind
feststellte)
Ab
1910 fertigte ein erzgebirgischer Papierfabrikant Schultüten
am Fließband. Zunehmend wurden die Tüten auch für
andere „Zwecke“ benutzt: So prangte der Deutsche Kaiser
auf der Pralinen-Pappe, später das Hakenkreuz und dann sozialistische
Zukunftsbilder.
Heute
ist die Schultüte als Statussymbol immer noch aktuell. Allerdings
lassen die Eltern jetzt ihrer Phantasie freien Lauf und legen
großen Wert auf Individualität. Und auch hierbei kann
manchmal der Bogen überspannt werden.(Beispiel „Holzschultüte
mit Klammern, an einer Seite Riemen....Ergebnis, Vater trägt!)
Schultüten
gibt es am ersten Schultag, von seinem ersten Schultag erzählt
uns jetzt Werner Struck.
Nach diesen Regeln wurde Unterricht abgehalten, und bei Verstößen
gab es z.T. harte Strafen.
Einige der älteren Besucher haben ihn sicher kennengelernt
-den Rohrstock-.
Der könnte nämlich allerhand erzählen. So wurde
das Züchtigungsrecht zwar 1921 an den Schulen
aufgehoben, aber die meisten Lehrer ignorierten
das. Sie benutzten den Stock weiter, und auf
Drängen der Lehrer wurde die „Prügelstrafe“
auch offiziell im Dezember 1925 wieder eingeführt.
Erst 1947 kam es zum Verbot der körperlichen Züchtigung
der Schüler durch die Lehrer.
Auf dem Weg in unsere Zeit hat sich viel verändert,
manches wurde mehrere Male erfunden oder Altes hat sich bewährt,
aber auch enorm viel Neues ist in die Schulen eingezogen.
Apropos
Schulen: Schularten gibt es so viele in den einzelnen
Bundesländern -denn Bildung ist Ländersache-
das man kaum noch durchsieht. Wer kennt sich schon aus mit Ganztagsschulen,
Gemeinschaftsschulen, Gesamtschulen, Grundschulen, Hauptschulen,
Realschulen, Regionalen Schulen, Integrativen Schulen, Werkstattschulen,
Förderschulen, Gymnasien und anderen weiterführenden
Schulen?!
Dabei können wir in den kommenden Jahren bereits einige dieser
nicht `mal vollständigen Liste der Schularten wieder aus
unserem Gedächtnis streichen!
Ich
stelle mir manchmal vor, wo wir bei Pisa stehen
könnten, wenn unser Schulwesen in Deutschland einheitlicher
und beständiger sein würde!